Was bedeutet es, sich auf den Weg zu machen? Beim ökumenischen Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Johannes in Ottering wurde das Thema „pilgern“ beleuchtet. Pfarrer Josef Hausner und sein evangelischer Kollege Matthias Frör führten auf das Thema hin. Frör stellte die Frage „Warum eigentlich ,evangelisch’ pilgern? Habe sich nicht der Reformator Martin Luther abfällig über das Pilgern geäußert? – Das stimme, sagte Frör. Mit seiner Kritik habe Luther aber vor allem den „Ablass“ der damaligen Kirche im Visier gehabt, dass man also mit Geldleistungen, durch Pilger- und Bußgänge sich ein Stück vom himmlischen Seelenheil erkaufen könne. Seither habe man das Pilgern in der evangelischen Kirche nahezu komplett vergessen und man habe das Pilgern weitgehend abgelehnt. Dabei gebe einige gute Gründe, zu pilgern, gerade wenn man evangelisch ist: „Pilgern ist ein Weg mit Gott“, betonte Pfarrer Frör. Beim Pilgern werde der Start mit einem Segen begonnen, der Weg mit Gebeten und spirituellen Impulsen begleitet und das Ziel mit dem Nachdenken über Glauben und den Sinn des Lebens bewusst verbunden. Für Evangelische sei die Bibel, die Heilige Schrift von elementarer Wichtigkeit. Und wer die Bibel aufschlägt, entdecke, dass sie voller Weg- und Pilgergeschichten ist. Heute sei man beim Pilgern nicht mehr unterwegs wie im Mittelalter, sondern suche Ruhe und Entspannung vom Alltag. Zugleich sei Pilgern auch immer eine Erfahrung, dass wir unterwegs sind mit Gott und hin zu Gott. Pfarrer Hausner sagte, das Pilgern sei aus ganz unterschiedlichen Motiven heraus wieder modern geworden. Eine Sehnsucht sei bei vielen, die sich auf den Weg machen, besonders deutlich: Das Wesentliche, also den Sinn des Lebens, zu finden und zu leben. Jesus rufe uns zum Pilgern auf: „Kommt und seht“, „folget mir nach“ – das seien zwei von vielen Einladungen Jesu, sich mit ihm auf den Weg zu machen. Hausner zitierte den lateinamerikanischen Priester und Dichter Ernesto Cardenal: „Wir sind noch nicht im Festsaal angelangt. Aber wir sehen schon die Lichter und hören die Musik“. Pastoralreferentin Melanie Höppler bezog sich in ihrer Predigt auf das Buch Micha 6, 6 – 8: „Es ist dir gesagt worden…in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott“. „Was aber ist der Weg?“, fragte die Pastoralreferentin. Gott stelle uns zwar an den richtigen Ort, doch wir hätten auf diesen Ort, auf diese Situation zu antworten, indem wir Entscheidungen treffen. „Das ist Dynamik, das ist Bewegung. Und schon sind wir unterwegs. Wir gehen. Ein anderes Wort dafür ist pilgern“. Die Pilgerschaft gehöre zum Menschsein dazu. Immer seien wir unterwegs, und zwar ganz – mit den Gedanken, mit den Gefühlen, dem Herzen, dem Körper. Lebenslang stehe nichts still. „Leute des Weges“ hätten sich die Christen in den ersten Jahrhunderten genannt. Ein Leben lang seien sie unterwegs zu Gott gewesen. Frau Höppler stellte ihren Zuhörern in Form einer filmischen Erzählung Egeria vor, eine spätantike Autorin aus Nordspanien oder Gallien, die als Pilgerin im späten vierten Jahrhundert, wohl von 381 bis 384 das Heilige Land bereiste und darüber einen Reisebericht in Form eines Briefes an andere Frauen verfasste. Auf dem Weg nach Jerusalem suchte sie ihre christlichen Brüder und Schwestern in den Ortsgemeinden auf, um von ihnen zu lernen. Sie habe gesagt: „Ich pilgere nicht für mich allein. Mein Ziel ist es, den anderen Auskunft zu geben über die heiligen Orte und über den Glauben, wie er anderswo gelebt wird. So möchte ich Zeugnis ablegen über meinen Weg der Nachfolge Christi“. Frau Höppler zitierte den oft gesagten Satz „Der Weg ist das Ziel“. Doch dieser Satz sei nicht richtig. „Das Ziel ist das Ziel“ stellte sie klar. In jedem Gottesdienst, in jedem Gebet verbinde sich Himmel und Erde. Hier dürften wir schon vorausblicken auf das Ziel unserer irdischen Pilgerschaft. „Es ist bekannt unter dem Namen ,himmlisches Jerusalem‘“.
Der Gottesdienst wurde musikalisch gestaltet vom Gospelchor „voices in spirit“.